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Eine Zeit der Vorbereitungen… – Alles braucht seine Zeit, auch eine tickende Bombe

Sich zu trennen, das ist keine Entscheidung, die wir von einem Tag zum nächsten treffen. Es handelt sich um einen langwierigen Prozess, vor allem dann, wenn mindestens ein gemeinsames Kind im Spiel ist.

Dass meine Ehe problematisch war, merkte ich, als ich schwanger wurde. Meine Vorstellungen über Vorbereitungen, Ernährungsweise und Einrichtung des Kinderzimmers kollidierten gewaltig mit denen meines damaligen Mannes.

Mir waren Qualität und Bio wichtig, meinem Exmann, der in der Selbständigkeit war, galt der erste Blick dem Preis. Schon damals waren wir unfähig einen Kompromiss zu finden. Heute würde ich in vielen Dingen anders reagieren und vor allem Kompromisse suchen und finden, die ich damals nicht für möglich gehalten hätte. Aber das ist ein anderer Beitrag.

Während meiner Schwangerschaft prallten zwei sture Böcke aufeinander: Mein Exmann und ich, die auch noch ziemlich hormongesteuert war.

Als unser Kind das Licht der Welt erblickte, gab es weitere Konflikte. Einer davon war, dass ich so bald wie möglich wieder Vollzeit arbeiten sollte. Es ging immer ums Geld. Und das blieb ein roter Faden, der sich nach sieben Jahren Ehe zur Zündschnur entwickelte. Bis dann die Bombe, bzw. ich im siebten Jahr platzte.

Ein gewaltiger Ausbruch mit Folgeschäden…

Wenn einer die Trennung anspricht, gibt es immer einen, der verletzt ist. Bei uns war ich diejenige, die am Ende entschied, dass es nur noch eine Lösung gab: Einen Eheberater. Der kostete natürlich Geld. Immer wieder hatten wir darüber gesprochen, aber wegen der hohen Kosten Jahre lang darauf verzichtet.

Eines Abends aber, als ich im Auto einen exorbitanten Wutanfall hatte, der der Explosion einer Atombombe glich, fuhr mein Exmann geschockt und von mir eingeschüchtert, an den Wegrand eines nahegelegenen Feldes. Ich wäre auch aus dem fahrenden Auto gesprungen, so wütend war ich damals. Dem Druck, dem ich viele Jahre ausgesetzt war, konnte ich an diesem Abend nicht mehr Stand halten. Alle Wut, jeder Frust und eine gute Portion Angst mussten plötzlich raus. Unangebrachter Weise im Pkw. Aber ich konnte es nicht mehr steuern.

Der Schrei nach Veränderung

Die weiseste Entscheidung, die mein Exmann damals traf, war tatsächlich an den Feldrand zu fahren, als ich explodierte. Ich riss die Autotüre auf und raste auf das Feld. Mir fehlten die Worte und ich schrie einfach nur in die Nacht hinaus. Alles, was ich in mich hineingefressen hatte, suchte sich seinen Weg nach draußen.

Unser Kind war zu Hause, beim Au Pair Mädchen. Wie immer, denn seit dem 2. Lebensjahr meines Sohnes arbeitete ich Vollzeit und hatte nie genug Zeit für mein Kind gehabt. Ich hatte mich meinem Kind entfremdet, war völlig alleine mit der Verantwortung, ein regelmäßiges Gehalt nach Hause zu bringen, damit wir unser Leben finanzieren konnten, während mein Exmann mit seiner Selbständigkeit und dem Rechnungsschreiben immer wieder mal Wochen ohne Einkünfte hatte.

Geld war ein Antreiber, bei allem, was unser Leben betraf und ich hatte bereits als Kind Themen rund um das Geld bei meinen Eltern erleben müssen. Hatte sich ein Teufelskreis geschlossen und war ich in die gleiche Situation gekommen wie meine eigene Mutter? Das war nicht das, was ich mir gewünscht hatte. Ich wollte Familie, Geborgenheit und gegenseitige Wertschätzung. Aber ich hatte Stress, Angst und erlebte gegenseitige Vorwürfe. Als Teenager hatte ich mir geschworen, nie so zu enden, wie meine Mutter. Und plötzlich war ich im gleichen Film angekommen, wie sie.

Es gab nur eine Lösung: Eine Eheberatung. Ich wollte die Flinte nicht einfach ins Korn werfen und aufgeben. Ich war und bin kein Typ dafür. Ich suche immer Lösungsmöglichkeiten, in jeder Lebenslage.

Manchmal muss man laut sein …

wenn man jemanden überzeugen will. Der Wutausbruch überredete meinen Exmann dazu, endlich einen Eheberater zu engagieren. Ich googelte und fand einen Coach mit hervorragenden Beurteilungen. Er war auch einer, der, wenn er keine Chancen in der Partnerschaft mehr sah, das seinen Klienten auch mitteilte und nicht Stunden “herumdoktorte” und sich eine goldene Nase dabei verdiente. Diese Ehrlichkeit und ein gutes Bauchgefühl überzeugten mich und ich vereinbarte einen Termin für ein Erstgespräch.

Mein Exmann fügte sich und war bereit, 130 Euro für 45 Minuten Coaching hinzublättern. Und in diesem Monat schaffte er es auch, endlich seine Rechnungen zeitnah und korrekt zu erstellen, denn mittlerweile hatte ich mir ein eigenes Konto eröffnet und mein Gehalt nicht mehr auf das gemeinsame Konto überweisen lassen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass dies wichtig war, auch wenn ich nicht wusste, wie es mit meiner Ehe weiter gehen würde…

Wenn der Coach nach dem Wettbewerb fragt…

“Was ist der Preis?” fragte der Coach meinen Exmann in der zweiten Stunde. Das war eine gute Frage, die ich mir selbst seit Geburt unseres Sohnes immer wieder gestellt hatte. Was war der Preis in dem Wettbewerb, den wir lebten? Die Liebe unseres Sohnes? Wer wieviel verdiente? Wer der Meister der Sparsamkeit sei? Wer intelligenter war? …

Was war der Preis? Es gab keine Antwort von ihm. Die Antworten, die ich geben konnte, waren nur meine: Die Zeit mit unserem gemeinsamen Sohn, das Thema Finanzen, die Zeit für sich selbst, die Zeit für die Partnerschaft.

Ich war inzwischen sehr müde. Ich war es leid, jeden Friseur-Besuch alle vier bis sechs Monate zu rechtfertigen, ich wollte nicht mehr begründen, warum ich mir einmal im Jahr von meinem selbst verdienten Geld etwas Neues zum Anziehen kaufte, ich war nicht mehr bereit, jeden Cent, den ich für Bio-Essen mehr ausgab, zu erklären. Ich wollte den beleidigten Gesichtsausdruck meines Exmannes nicht mehr ertragen, wenn ich einmal im Jahr ein Wochenende mit meiner Freundin in Österreich ohne Mann und Kind verbrachte und dabei an mich dachte… – Heute weiß ich als Coach, dass er ein besonders großes Bedürfnis nach familiärer Sicherheit und Geborgenheit hatte und ich ein großes Bedürfnis nach Freiheit besitze.

Bargeld, Verlustängste, Lebensweise und Erziehung waren unsere Themen.

Der Coach entschied nach der dritten Stunde: Es war zu spät für uns, diese Ehe hatte keine stabile Basis mehr und eine Trennung war für uns und unser Kind die beste Lösung.

Ich fand: Er hatte recht, denn ich war müde, weiter zu kämpfen in einem Leben, das eigentlich kein Kampf sein sollte…

Eine Trennung, weniger Bargeld und eine eigene Wohnung später…

Nach der Trennung wurde meine finanzielle Situation nicht besser. Im Gegenteil, von Jahr zu Jahr wurde sie schlechter. Aber ich lernte auch meine Freiheit schätzen. Wenn ich Geld ausgab, durfte ich selbst entscheiden, worauf ich meinen Fokus legte. Ich entschied mich für die Qualität beim Essen. Kleidung war mir nicht so wichtig, die Bedürfnisse meines Sohnes aber umso mehr.

Jeder Cent, den ich mehr hatte, wurde für ihn gespart oder in seine Bildung, Kleidung, Essen oder Hobbys investiert.

Auch wenn ich nach der Scheidung erheblich weniger für mich zur Verfügung hatte, war ich umso freier, denn ich konnte und durfte alles im Alltag so gestalten, wie es sich für mich richtig anfühlte. Wenn die Möglichkeiten geringer werden, wenn man kein Geld hat, findet man andere Dinge, die einen glücklich machen.

Ich habe gelernt: Alleinerziehende lernen ihre Bedürfnisse zu verändern, das Leben von einer anderen Seite aus zu betrachten, Materielles weniger wichtig zu nehmen, dafür aber Themen wie Liebe, Wertschätzung, Gesundheit, Achtsamkeit und Geborgenheit mehr Raum zu schaffen.

Ich hoffe, dass unsere Kinder es früher schaffen, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und den Sinn es Lebens und der Liebe zu erkennen. Eine Scheidung tut weh, und ist ein finanzielles Fiasko. Das wünsche ich wirklich keinem, den ich  liebe und wertschätze…und schon gar nicht meinem eigenen Kind.

Foto: Pixabay.com

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